„Ich liebe das Leben, ich bin ein glücklicher Mensch, ich würde mein Leben mit niemandem tauschen wollen. Und gerade weil ich es liebe, kann ich dieses hoffnungslose Nicht-Leben nicht akzeptieren.
Ich danke euch, Genossen, für eure Liebe.
Immer für die Anarchie,
niemals gebeugt.“
Diese Worte stammen von Alfredo Cospito – einem italienischen Anarchisten, in Gefangenschaft seit zehn Jahren, seit Oktober letzten Jahres erklärter Staatsfeind Italiens und nun unter foltergleichen Haftbedingungen eingesperrt.
Vor ca. zehn Jahren explodierten in einer Nacht vor einer Polizeischule in Italien zwei Bomben. Es entstand Sachschaden – mehr nicht.
Seitdem sitzt Alfredo Cospito in Gefangenschaft. Infolge einer Neueinstufung des Anschlags als „politisch motiviert“, verschlechterten sich seine Haftbedingungen massiv.
Alfredo sitzt in Isolationshaft. Wenige Stunden am Tag darf er Mit-Gefangene sehen, lediglich einmal im Monat für eine Stunde Besuch von seinen Angehörigen erhalten, doch nur getrennt durch eine Glaswand. Wenn er ein Foto von seinen Freunden oder der Familie in seiner wenigen Quadratmeter großen Zellenwand aufhängen will, muss er um Genehmigung bitten und seine Medien werden zensiert. Lesen darf er nur noch Staatsnahes. Von den weltweiten Solidaritätsaktionen wird er nichts mitbekommen dürfen.
Er beschreibt seine Haftbedingungen selbst wie folgt:
„Mein Kampf gegen das 41bis Regime ist der individuelle Kampf eines Anarchisten, ich gebe oder empfange keine Anweisungen. Ich kann einfach nicht unter einem unmenschlichen Regime leben, wie es 41bis bedeutet, wo ich nicht frei lesen kann, was ich will, Bücher, Zeitungen, anarchistische Zeitschriften, Magazine für Kunst und Wissenschaft sowie Literatur und Geschichte. Die einzige Möglichkeit, dem Regime zu entkommen, besteht darin, meine Identität als Anarchist aufzugeben und sie an jemanden anderen zu verkaufen, der meinen Platz einnimmt.
Ein Regime, in dem ich keinen menschlichen Kontakt haben kann, in dem ich keine Handvoll Kräuter pflücken oder einen geliebten Menschen umarmen kann. Ein Regime, in dem die Fotos unserer Eltern geraubt werden. Lebendig begraben in einer Gruft, an einem Ort des Todes.“
Der „Artikel 41-bis“ legitimiert seine Haftbedingungen. Er ist bereits mehrfach von europäischen Institutionen als Folter deklariert worden – die italienische Justiz stört das nicht.
Diese Haftbedingungen sind gemacht um jemanden zu brechen, seine Werte als Anarchist und seine Genoss:innen zu verraten.
Doch Alfredo hat einen anderen Weg gewählt. Er will sich nicht der inzwischen faschistischen Regierung in Italien und ihren Foltermethoden beugen. Seit dem 20. Oktober 2022 ist Alfredo Cospito im Hungerstreik. Für Gefangene ist der Hungerstreik ihr letzter Weg eigenständig agieren zu können, ihren Willen auszudrücken und in ihrem Leben ein kleinwenig Handlungsfähigkeit zu erhalten.
Heute ist der 149. Tag an dem er keine Nahrung aufgenommen hat. Eine unglaublich lange Zeit.
Alfredo wird seinen Hungerstreik nicht brechen, ehe seine Haftbedingungen verbessert werden. Da dies nicht zu erwarten ist, müssen wir jederzeit mit der schrecklichen Nachricht rechnen, dass das erste mal seit langer Zeit jemand in Europa durch einen Hungerstreik in Gefangenschaft zu Tode kommt.
Die Gefangenschaft und Alfredos Folter hat schon einige Solidaritätsaktionen hervorgerufen. Von einem brennenden italienischen Diplomaten-Auto in Berlin, eingeworfenen Fensterscheiben des Konsulats in Barcelona oder das brennende Auto einer Botschaftsmitarbeiterin in Athen. Freund:innen und Genoss:innen kämpfen mit ihm zusammen, um ihn am Leben zu erhalten, um als Anarchist leben zu können.
Und auch wenn du diese Worte hier eventuell nicht mehr hören wirst:
Alfredo du bist nicht allein – deinen Kampf für eine befreite Gesellschaft werden wir gemeinsam weitertragen.
La Lotta continua!