Warum Antifa?
oder: Was bedeutet für uns Antifaschismus, wenn doch angeblich alle gegen rechts sind?
Nach jedem rassistischen Mordanschlag, nach jedem Drohbrief, unterzeichnet mit NSU 2.0, nach jedem aufgedeckten Chat rechtsextremer Bundeswehrler*innen findet sich ein deutscher Politiker der bürgerlichen Mitte, der sich hinstellt, die Taten verurteilt und behauptet, rechtes Gedankengut habe keinen Platz in unserer Gesellschaft.
Was anschließend folgt ist meist bleierne Stille. Unterdessen werden in Sachsen und anderen Bundesländern die Mittel für Demokratieprojekte gestrichen wurden, gegen den NSU 2.0 durch die gleichen Behörden ermittelt, von deren Computern die Drohbriefe verschickt wurden, und fast die gesamte antifaschistische Szene durch die Sonderkommission Linx unter Beobachtung gestellt. Denn wer weiß das nicht?! Nazis bekämpft man am Besten in dem man ihre Gegner*innen kriminalisiert!
Die Geschichte lehrt uns nicht erst seit gestern, dass man sich im Kampf gegen Rechts noch selten auf den Staat verlassen konnte. Das liegt nicht nur daran, dass die Verbindungen der faschistischen Bewegung in die Sicherheitsbehörden und zum Militär allzu deutlich sind.
Das liegt auch daran, dass der Staat die Ursachen nicht erkennt – um mit Max Horkheimer zu sprechen: „Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen“. Somit ist auch gar nicht zu erwarten, dass der Staat mit seinen Behörden faschistische Bedrohungen konsequent bekämpft. Denn der Ursprung des Faschismus liegt in den Strukturprinzipien der bürgerlichen Gesellschaft selbst begründet. Und wir können beim besten Willen nicht von Poltiker*innen und Behörden erwarten, die bürgerliche Herrschaft zu hinterfragen. Denn wer sägt schon freiwillig an dem Ast, auf dem man sitzt?
Wenn nun aber der Staat den Faschist*innen keinen Einhalt gebietet, dann müssen wir das als Linke selber tun! Das wussten vor 100 Jahren bereits die „arditi del popolo“, als sie in Italien die ersten antifaschisitschen Gruppen ins Leben riefen, um dem Terror der faschistischen „Schwarzhemden“ die Stirn zu bieten. Sie markierten den Beginn einer hundertjährigen Geschichte linken Widerstandes gegen faschistische Bewegungen und Regime.
Seither waren Antifaschist*innen in verschiedenen Kämpfen aktiv gegen Rechts: Einst als Partisan*innen gegen Nazi-Deutschland, anarchistische und sozialistsche Brigadist*innen gegen die Franco-Diktatur oder Selbstverteidigungseinheiten gegen den Ku-Klux-Klan in Amerika.
Heute kämpfen wir:
Als Recherche-Teams, die ganze Nazi-Netzwerke enttarnen,
als Feminist*innen, die sich in Polen dem rechten Backlash entgegenstellen
als Menschenblockaden gegen den lokalen Naziaufmarsch
als Antikapitalist*innen, die wissen, dass nur eine solidarische Gesellschaft und Wirtschaft gegen die Ursachen der rechten Entwicklungen helfen
als Migrantifa, die den Rassismus deutscher „Leitkultur“ bekämpft,
als Seenotreter*innen, die beim Sterben an den Grenzen der Festung Europas nicht tatenlos wegschauen.
Bis heute leisten wir diesen Widerstand in seinen vielen Formen – und zwar weil wir es müssen!
Wir müssen das, weil der bürgerliche Staat den parlamentarischen Nazis – genannt AfD – dort Bühnen bietet, wo sie schlichtweg ausgeladen gehören. Wir müssen es, weil rassistisch motivierte Angriffe in der BRD trauriger Alltag sind. Wir müssen es, weil wir immer noch in einem Europa leben, in dem täglich Menschen an den Außengrenzen in den Tod geschickt werden. Deshalb! sind wir Antifaschist*innen!
Damit erledigen Antifaschist*innen genau den Job, den der deutsche Staat vorgibt tun zu wollen – und wofür wir stattdessen kriminalisiert werden! Denn die Behörden verorten ihren Gegner ganz klar links. Das verdeutlichen der Einsatz der SoKo Linx, das kommende Verfahren nach § 129 StGB gegen Lina und drei weitere Angeklagte sowie die Inhaftierung von Dy und Jo, die sich gegen Neonazis am Rande einer Coronaleugner-Demo zu Wehr setzten.
Wir alle! sind Lina, Findus, Dy und Jo – denn wir wissen, dass Nichtstun und Wegschauen auch ein Verbrechen ist! Unsere Solidarität gilt ihnen heute, da sie im Knast sitzen, weil der Staat nicht dulden kann, dass ihnen jemand vormacht, wie Antifaschismus wirklich geht!
Darum, liebe Freund*innen, Genoss*innen und Antfaschist*innen, gibt es die antifaschistische Bewegung auch noch 100 Jahre nach ihrem Anbeginn. Leider und zum Glück. Wir sagen: Hoch die Solidarität mit allen inhaftierten Antifaschist*innen weltweit!