Solidarität mit den Angeklagten im Antifa-Ost-Verfahren
Wir sind heute hier, weil eine Genossin für ihren engagierten Kampf gegen Nazis seit einem Jahr im Knast sitzt. Wir verurteilen das Verfahren gegen sie und drei weitere Antifaschisten im Antifa-Ost-Verfahren als einen politisch motivierten Prozess. Einen Prozess, indem es dem Staat primär darum geht, Macht zu demonstrieren und engagierte Menschen einzuschüchtern. Neben den Angeklagten sitzt hier somit die gesamte antifaschistische Bewegung auf der Anklagebank. Das ist in unseren Augen Gesinnungsjustiz. Es geht um die Delegitimierung von linker Politik und antifaschistischer Praxis – und das derzeit überall in Deutschland!
Zuletzt hat zum Beispiel der Fall der Dannenröder Forst-Aktivistin Ella jüngst auf erschreckende Weise gezeigt, wie sehr Polizei & Justiz gewillt sind, Linke zu kriminalisieren: So wurde der passive Widerstand der Aktivistin bei einer Baumbesetzung zu einem „schweren Vergehen gegen die Polizei“ umgedeutet und mit 2 Jahren und 3 Monaten Haft sanktioniert.
Seit den Ermittlungen und Prozessen im Nachgang des G20 Gipfels in Hamburg vor vier Jahren spitzt sich die Lage weiter zu. Die Razzien beim Roten Aufbau in Hamburg und weiteren Bundesländern, denen ebenfalls die Bildung einer kriminellen Vereinigung nach Paragraf 129 vorgeworfen wird, sowie die Anwendung rechtswidriger Fahndungsmethoden in den Ermittlungen rund um die Gipfelproteste zeigen, dass die Staatsmacht derzeit versucht, alle repressiven Register zu ziehen.
Davon zeugen auch die Räumungen und Angriffe auf diverse selbstverwaltete Freiräume in den letzten Jahren oder die Urteile gegen die Stuttgarter Antifaschisten Jo, Dy und Findus, die nun für 2,5 bis 5,5 Jahre in den Knast müssen. Jan aus Nürnberg ist vor wenigen Wochen mit seiner Revision gegen ein Urteil gescheitert und wird nun für 1 Jahr und 2 Monate im Gefängnis sitzen, weil er Polizist*innen angeschrien, also verbal beleidigt hatte. Dagegen wirken die Urteile im Nazi-Überfall auf eine Kirmesgesellschaft in Ballstädt, wo es nach Absprachen mit der Staatsanwaltschaft zu milden Bewährungsstrafen kam, wie eine Farce. Egal ob Antifaschismus, Häuserkampf oder Klimapolitik, der Staat versucht derzeit massiv linken Aktivist*innen Knüppel zwischen die Beine zu werfen.
Gleichzeitig geraten der Staat und seine Ermittlungsbehörden immer wieder durch negative Schlagzeilen in die Öffentlichkeit: Auf regelmäßiger Basis fliegen seit Jahren rechte Netzwerke auf oder wird publik, dass Waffen und Munition verschwinden. Auch die Soko Linx ringt um Legitimität, während mehr und mehr offenkundig wird, dass sich zwischen Polizei und Nazis ein dicker Filz gebildet hat und auch im Fall von Lina Ermittlungsinterna an Nazis und die rechte Presse weitergegeben wurden.
Es gibt weit über 12.000 registrierte Fälle von Polizeigewalt jedes Jahr in Deutschland, von denen allerdings nur 2000 zur Anzeige gebracht werden und wiederum unter einem Prozent in einem Urteilsspruch münden. In den meisten davon wird Milde walten gelassen. Nicht vergessen haben wir auch, dass immer wieder migrantische, geflüchtete oder wohnungslose Menschen in Polizeigewahrsam umkommen! Was ist das für ein Gewaltmonopol, durch das Menschen permanent zusammengeknüppelt oder sogar umgebracht werden, während jene, die es ausüben und missbrauchen, straffrei bleiben?
Dass die Polizei sich tendenziell, als rechtslastig entpuppt, das ist kein unbequemer Zufall, sondern liegt in der Natur der Sache einer hierarchisch, autoritär und militaristisch organisierten Behörde. Diese Strukturen ziehen inzwischen rechte Menschen an und bieten ihnen die Gelegenheit zur Vernetzung und Radikalisierung. Daher kann es keine emanzipatorische Perspektive mit der Polizei geben. Wir setzten unsere Hoffnungen nicht in den Staat, sondern müssen die Probleme selber lösen.
Im Antifa-Ost-Verfahren wird mehr als deutlich, dass die beiden Entwicklungen zusammenhängen: Auf der einen Seite sind da die staatlichen Behörden, die regelmäßig mit Negativschlagzeilen im Rampenlicht stehen und auf der anderen Seite die Linken, die als perfektes Ablenkungsmanöver für ebenjenes Versagen des Staates herhalten würden, wenn man ihnen nur mehr Kriminalität nachweisen könnte. Daher lautet das Motto: wo keine Kriminalität ist, kann ganz sicher eine erfunden werden!
Und so hat sich die Sonderkommission Linx, ausgestattet mit den weitreichenden Ermittlungsbefugnissen, daran gemacht, eine „kriminelle Vereinigung“ herbeizukonstruieren, um Linke als Terrorismusverdächtige ins Rampenlicht der Öffentlichkeit zu zerren. Die zweifelhaften Ermittlungen wurden anschließend durch die Justiz legitimiert, indem nämlich die Bundesanwaltschaft die Vorermittlungen von der Sächsischen Anwaltschaft übernahm – was für einen Prozess nach §129 nicht notwendig gewesen wäre! Somit wurde auf höchster Ebene beschlossen: die angebliche Kriminalität der Angeklagten im Antifa-Ost Verfahren ist von sicherheitstechnischer Bedeutung für die gesamte BRD!
Das Abweichen von der sogenannten politischen Mitte steht spätestens seit den 70er Jahren unter Terror-Verdacht und das Hufeisen hört man überall klappern. Wer in der Mitte sitzt, sollte und muss eben nicht mit Steinen schmeißen – nein, denn die reaktionäre Mitte hat Gummiknüppel, Wasserwerfer, Räumpanzer und zur Not eben auch Waffenarsenale. Gewalt ist somit ein Mittel der politischen Auseinandersetzung – das vor allem gegen uns zum Einsatz kommt.
Es geht in diesem Prozess auch darum einen Keil zwischen eine friedliche Protestkultur und militante Aktionsformen zu treiben. Das aber dürfen wir nicht zulassen! Für uns ist klar: Nazis müssen auf ganzer Linie bekämpft werden – auf der Straße, im Parlament, an der Uni, im Betrieb. Und vor allem dort, wo sie sich sicher fühlen. Denn für Nazis darf es keine comfort zone geben, kein ruhiges Hinterland und keine Stammkneipe.
Wir müssen Nazibanden zerschlagen – und das meinen wir wörtlich. Keine Bildungsarbeit, keine Kiezinitiativen, keine Lippenbekenntnisse und Resolutionen und erst recht – das lehrt uns auch die jüngere Geschichte – erst recht keine Polizei wird gewalttätigen Nazis Einhalt gebieten. Bullen prügeln die Meinungs- und Versammlungsfreiheit von Nazis durch. Aber Nazis haben keine Meinung, die gleich allen anderen vor dem Gesetz schützenswert wäre. Nazis verfolgen eine mörderische Ideologie und demonstrieren gegenüber politischen Feinden und allen, die nicht in ihr Weltbild passen, wie ernst sie es damit meinen.
Für alle, die nicht selbst aktiv werden, heißt das, dass sie sich entscheiden müssen. Eine neutrale Seite gibt es nicht in einer Zeit, in der People of Color, Jüd:innen, Obdachlose, Be:hinderte, queere und andere Menschen ins Visier von Nazis aber auch einer rassistischen und rechten Polizei geraten können. Sie können nicht frei wählen, ob sie sich tagtäglich der Gefahr von Gewalt bis hin zum lebensbedrohlichen Angriff ausliefern.
Wir müssen mit unserer Rede keinen Richter überzeugen, wir müssen keine Beweise erbringen über Schuld und Unschuld. Auch wenn wir es aufs Schärfste zurückweisen, dass diese Frage in Linas Fall zumindest für breite Teile der journalistischen Öffentlichkeit anscheinend kaum noch eine Rolle spielt.
Für uns ist wichtig zu betonen: Unsere Solidarität ist nicht davon abhängig, ob die Angeklagten schuldig oder unschuldig gesprochen werden. Jede Form antifaschistischer Praxis ist für uns legitim. Deshalb: bedingungslose Solidarität mit Lina und allen angeklagten Antifas.
Ob friedlich oder militant, Antifaschismus bleibt notwendig!